• Ausflug ins Improvisationstheater für die 5. und 6. Klassen

Ahoi, KameradInnen. Heute wird über das Theater geschrieben. Theater. Das ist eine Form der Unterhaltung, die vielen Menschen in Zeiten von Corona fehlte. Doch wir als 5.- und 6.-Klässler des Johanneums hatten das Glück, uns ein Theaterstück ansehen zu dürfen: „Das Exil des Piraten Ol’ Man Jack“. Wir konnten am 14. Juni also für kurze Zeit Corona vergessen, wir raubten ihm für ca. 70 Minuten die Krone, verschoben das Packen von Zahnbürste und Disney-Account mit DVD von "Der Fluch der Karibik" in den Sommerkoffer auf später. Mit dem Improvisationstheater unter freiem Himmel auf unserer Piazza hieß es stattdessen: Anker lichten für die Reise ins Jahr 1721! Ein himmlischer Flug in Fun und Fantasie und viele Fragen! 

Das Theaterstück „Das Exil des Piraten Ol’ Man Jack“ handelt von dem Piraten Ol’ Man Jack (gespielt von Benjamin Kaygun), der keine andere Wahl hat, als seinen Nassauer Heimat-Hafen zu verlassen, wenn er nicht sterben will. Denn in seiner Heimat wird wild gekämpft. Seit diesem Tag ist Nassau Geschichte. 

Eine Stunde und gute 10 Minuten später haben Jack und seine Jules, eine selbstbewusste und mutige Piratin und Papageiin, ihre Geschichte erzählt und jeden von uns, also auch dich, durch unsere Fragen mit einbezogen. Und was stellst du dir jetzt für Fragen? Ich fragte mich bspw. nachher: Wie konnten die Schauspieler so sicher improvisieren, obwohl sie ja gar nicht wussten, was wir für Fragen/ Antworten stellten/ gaben!? Wussten die Schauspieler, der Regisseur und wusstet ihr, dass das Improvisationstheater eine uralte Theaterform ist, die man bereits vor zweitausend Jahren aufführte?! Geschichtenerzähler, die herumgereist sind, haben ihre Geschichten immer wieder anders erzählt, sie an die jeweiligen Situationen und Menschen angepasst. Auch im antiken Griechenland wurde improvisiert. Der Mimus holte sich aus dem Publikum Ideen, die er dann in seine Stücke einfügte. Die Technik des Improvisierens wird heute nicht nur im Theater, sondern auch von Lehrern im Unterricht geübt. Diese Technik stärkt das Selbstbewusstsein und ist klasse für Vorträge oder in Gesprächen, wenn man sie dann kann... Auch diese Frage beschäftigte mich: Wer wurde Pirat genannt? Woher kommt das Wort eigentlich? Gab es auch Piratinnen? Offenbar wurde schon damals darüber "diskutiert", ob Frauen als Piratinnen, nun ja: anheuern durften. Es gab drei Seeräuberinnen: Anne Bonny, Mary Read und Grace O'Malley, die diese Frage und die Meinung von außen nicht interessierte. Was spielte es für eine Rolle, dass sie sich in Männerkleidung stecken mussten? Sie waren Meisterinnen der Tarnung.  Sie kleideten sich nicht nur wie Männer, sie kämpften auch wie Männer!

Und natürlich gab es auch berühmte Männer.  Unter diesen findet man schnell, weil sehr geachtet, den berühmtesten deutschen Piraten aller Zeiten, einen Hamburger noch dazu, Klaus Störtebeker. Er ist sicherlich ebenso geachtet wie der Engländer Edward „Blackbeard“ Teach. Letzterer war sogar ein Teil des Theaterstückes und steckte in seinen Bart - jedenfalls nach den Geschichtenerzählern Jules und Jack - stets brennende Lunten. Wer behauptet denn zu wissen, dass das nicht tatsächlich so war.

Ich könnte noch stundenlang fragen und weiter fragen, aber es ist doch viel spannender, wenn ihr in der Klasse darüber diskutiert, wer sich welche Fragen gestellt hat und wie ihr die Geschichte weiterentwickelt hättet. 

Das Stück ist für 8- bis 12jährige Schüler gedacht. Die Altersspanne ist genau richtig, für jeden ist etwas dabei. Der Inhalt ist für 8-jährige Schüler nicht zu spannend, wir 11- und 12-jährigen konnten den Witz erkennen und eigene Ideen einbringen und werden vielleicht auch die angesprochenen Themen 'Heimat, Flucht, Demokratie, Piraten und Piratinnen' mit in die nächsten Unterrichtsstunden nehmen.  

Heimat und Flucht

Jack befindet sich auf der Flucht. Er muss überstürzt seinen Heimathafen verlassen. Flucht beschreibt eine Reaktion auf Gefahren oder Bedrohungen. Bei den Tieren, z.B. bei den Pferden, gehört Flucht zum ganz normalen Verhalten. Beim Menschen bedeutet Flucht ein plötzliches, schnelles, manchmal heimliches Verlassen eines Ortes oder eines Landes.

Jack muss aus seiner Heimat flüchten. Heimat ist der Ort, an dem man als Kind aufgewachsen bist. Es gibt Personen, die finden, dass jeder den ganzen Erdball als Heimat anerkennen sollte. Jack ist voll von sorgenvollen Fragen, die auch andere Flüchtlinge begleiten: Wird die Insel, auf der er gelandet ist, zu einer Heimat, in der er sich geborgen und willkommen fühlt? Oder wird man ihn zum Freibeuter abstempeln und wieder aufs Meer hinaussenden oder in seine alte Heimat, die sicher eine andere ist als vorher. 

Demokratie

Die Piraten hatten sie. Und dazu beigetragen hat der Kodex. Dieser war auch Thema in unserem Stück. Die Piraten waren ursprünglich Seeleute, die insbesondere im goldenen Zeitalter der Piraterie, im 17. und 18. Jh., vor ihren Kapitänen geflohen waren und sich anderen Piraten angeschlossen hatten. Aus der grausamen Erfahrung heraus haben sie auf ihren Piratenschiffen Regeln eingeführt, die für alle gleich waren, wie z. B zur Verteilung des Gewinnes. Das Wort 'Demokratie' kommt von den altgriechischen Wörtern 'demos' (Volk) und 'kratein' (herrschen). 

Was braucht es alles für ein Theaterstück?

Auf alle Fälle den Dramaturgen. Ein Dramaturg schreibt das Stück, den Fassungstext, und hat die Einfälle für das Stück. Er hält sich die ganze Zeit hinter den Schauspielern in der Regie zurück und hat ein Auge darauf, dass das Konzept eingehalten wird. In unserem Stück ist Paul, der Steuermann, der Dramaturg. 

Die Arbeit des Dramaturgen ist echte Arbeit. Das erzählt Paul in einem Interview. Denn Improvisation braucht viel Vorbereitung. Anfangs stehen die Figuren und die dazu auserkorenen Schauspieler. Dann beginnt die eigentliche Teamarbeit, hier mit Richard und Kaja. Geschichten werden gesammelt, in eine Reihenfolge gebracht, dann wieder ausgetauscht, gekürzt, verlängert, Übergänge werden verbessert, bis schlussendlich die besten Geschichten an Land schwimmen, nein: auf die Bühne kommen. Doch da hört die Arbeit noch nicht auf. Und wir waren plötzlich mittendrin. Ein Anführer wurde herausgesucht, er fand sich schnell und einstimmig: Marc aus der 6d. Ada löste die Streitigkeiten für die Namensfindung der Insel klug und zielstrebig auf. Es war klar wie Kloßbrühe: Sie musste Hamburg heißen. Dann: Jack landete auf Hamburg. Wer erwartete ihn dort? War er für die Einheimischen ein Gauner oder ein willkommener Gast? Sollte er bleiben, wieder auf das weite Meer hinausfahren oder in die alte Heimat zurück, die nicht mehr die alte Heimat war? Wir entschieden uns - wie in der Demokratie, wo jede Stimme gleich zählt -  mit einer Mehrheit für das Bleiben. 

Edward „Blackbeard“ Teach hat wirklich gelebt. Unzählige Geschichten wurden über ihn erzählt - und jedes Mal sicher ein wenig anders. Bei der aktuellen Geschichte waren wir aber mittendrin. Auch mitten unter den Schauspielern: Leonie Stäblein war äußerst selbstbewusst als Papageiin Jules. Arrgh! Sie wollte das Deck nicht schrubben, wollte Respekt, und wählte daher statt der Rolle der Piratin die Rolle der Papageiin. Die Rolle nahm man ihr ab, sie beherrschte sogar die Papageiensprache. Sie ergänzte sich gut mit Jack, Benjamin Kaygun, der eher der Schüchterne und Zurückhaltende war. Seine Meinung konnte er - beim Klabautermann! -  aber gut vertreten. Und wir waren wieder mittendrin und konnten die Geschichte weiterspinnen. Und jetzt seid ihr dran! Macht euch vogelfrei!!!

Von mir fehlt nur noch: Aye, aye Käpt'n! Anker lichten!